Vielleicht empfinden Sie eine gewisse Hilflosigkeit angesichts der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen, die uns umgeben? Es ist ein Gefühl, das Clemence Piteau, Produktdesignerin, spürte dies selbst, bevor sie sich für einen engagierteren digitalen Ansatz entschied. Sie erzählt von ihrer Reise und bietet eine Reflexion über die Zukunft des Designs.
Die Zusammenhänge zwischen Systemen verstehen
Zwei Videoplattformmodelle: YouTube vs. PeerTube
Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, verwendet Clémence Piteau das Beispiel zweier Videoplattformen: YouTube et PeerTube. Beide Tools erfüllen dieselbe Funktion – das Online-Streaming von Videos – basieren jedoch auf völlig unterschiedlichen Modellen.
Einerseits ist YouTube eine zentralisierte Plattform, die darauf ausgelegt ist, die Massensichtbarkeit und Monetarisierung von Inhalten zu maximieren. Seine Funktionsweise basiert auf leistungsstarken Algorithmen, deren Ziel es ist, die auf der Plattform verbrachte Zeit zu maximieren.
PeerTube hingegen ist eine dezentrale Open-Source-Plattform. Dieses Modell fördert Kreativität und Meinungsfreiheit und begrenzt gleichzeitig einige der negativen Auswirkungen, die mit Empfehlungsalgorithmen verbunden sind.
Die versteckte Wirkung digitaler Produkte
Diese Designunterschiede haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt. YouTube kann kognitive Verzerrungen verstärken und die Erstellung standardisieren. Es fördert den ungezügelten Konsum, der erhebliche Kosten für die Umwelt verursacht, insbesondere durch die Infrastruktur, die zur Speicherung und Verbreitung von Videos erforderlich ist.
Obwohl PeerTube nicht auf einem algorithmischen Monetarisierungsmodell basiert, bleibt es nicht ohne Auswirkungen. Eine flächendeckende Nutzung würde zudem zu einem erheblichen Ressourcenverbrauch führen.
Diese Beobachtung unterstreicht eine grundlegende Realität: Jedes digitale Produkt ist Teil eines größeren Systems, das aus komplexen Interaktionen zwischen Unternehmen, Gesellschaften und Ökosystemen besteht.
Ein digitales Produkt existiert nicht isoliert
Clémence Piteau betont, dass man über digitale Technologien mit einem systemischen Ansatz nachdenken müsse. Jedes Produkt gehört zu einem voneinander abhängigen Netzwerk:
- Sie wird innerhalb eines Unternehmens, einer Organisation oder eines Vereins konzipiert.
- Diese Struktur entwickelt sich in einer Gesellschaft, in der bestimmte Normen, Werte und Vorschriften herrschen.
- Gesellschaften koexistieren auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen und interagieren mit anderen menschlichen und nicht-menschlichen Ökosystemen.
Somit kann ein digitales Produkt erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, die Politik, die Wirtschaft und die öffentliche Gesundheit haben. Umgekehrt unterliegen eben diese Produkte auch äußeren Einflüssen: politischen Entscheidungen, konjunkturellen Schwankungen, Umweltkrisen. Dennoch werden die meisten digitalen Projekte konzipiert, ohne die langfristigen Gesamtauswirkungen zu berücksichtigen.
Tools für die digitale Transformation
Die CSRD, eine europäische Verordnung
Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) verlangt von Unternehmen mehr Transparenz hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt, das Soziale und die Unternehmensführung (ESG). Ziel dieser Transparenzpflicht ist es, Investitionen in nachhaltigere Modelle zu lenken. Dies ist eine Gelegenheit zur Innovation und Optimierung der Gestaltung unserer Produkte und Dienstleistungen.
Design aus einer Nachhaltigkeitsperspektive neu denken
Ein nachhaltig gestaltetes Produkt beschränkt sich nicht nur auf die Optimierung seiner Materialien oder seines Lebenszyklus. Es geht darum, die Konsequenzen vorherzusehen und fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, was im Endprodukt enthalten sein oder vermieden werden sollte.
Ein effektiver Workshop zur Integration dieses Denkens ist der Rebound-Archetyp, entwickelt von Laetitia Bornes, einer Forscherin, die auf die Auswirkungen digitaler Produkte spezialisiert ist. Dieses kollaborative Tool ermöglicht es, die von einer Innovation betroffenen Stakeholder zu identifizieren und die direkten und indirekten Auswirkungen ihrer Einführung abzubilden.
Das Ziel ist zweifach:
- Verstehen Sie die Auswirkungen, die ein Produkt oder eine Lösung verursacht.
- Besprechen und schlichten Sie diese Auswirkungen, indem Sie entscheiden, welche akzeptabel sind und welche abgemildert werden sollten.
Eine zentrale Frage in diesem Prozess ist: „Wer sind wir, dass wir über bestimmte Auswirkungen entscheiden können, insbesondere über solche, die Akteure außerhalb unserer Organisation betreffen?“ Diese ethische Hinterfragung ist für einen systemischen und nachhaltigen Ansatz unabdingbar.
Nachhaltiges Design auf mehreren Ebenen
Einer der wirksamsten Hebel zur Integration von Nachhaltigkeit in das Design ist die Einführung eines Mehrebenenansatz, wo unterschiedliche Strategien in unterschiedlicher Tiefe angewendet werden.
Während eines Entdeckungsprozesses ist es wichtig, die mit einem Produkt verbundenen Probleme im Detail zu untersuchen und dabei mehrere Analyseebenen zu berücksichtigen:
- Konkrete und messbare Aspekte : Anzahl der hergestellten Produkte, erzeugte Abfallmenge, Überschreitung der planetaren Grenzen.
- Organisatorische Einschränkungen : Schwierigkeiten bei der Datenerfassung, mangelnde Schulung zum CSRD.
- Tiefe Probleme : Unternehmenskultur, die auf Wachstum um jeden Preis basiert, Widerstand gegen Veränderungen, Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft.
Sobald diese Ebenen identifiziert sind, besteht der nächste Schritt darin, Hebel des Wandels an jede Tiefenstufe angepasst.
Hebelpunkte für effektive Veränderungen nutzen
Dieses Konzept, abgeleitet von der Arbeit von Donella Meadows über Systemdenkenbasiert auf der Idee, dass Jedes Problem hat einen spezifischen Ansatzpunkt Dies kann bei richtiger Umsetzung zu erheblichen Veränderungen führen.
- Oberflächliche Lösungen erfordern wenig Aufwand, haben aber nur begrenzte Auswirkungen.
- Tiefgreifende Lösungen erfordern mehr Ressourcen und Zeit, führen jedoch zu dauerhaften strukturellen Veränderungen.
Das Ziel ist daher, eine Gewinnkombination zwischen schnellen Aktionen und tiefgreifenden Veränderungen.
Die Methode des systemischen Designs
Aus dieser Perspektive ist die Systemische Designmethode erweist sich als wertvolles Werkzeug. Es basiert auf zwei Grundpfeilern:
- Hören Sie zu und verstehen Sie das System in dem wir tätig sind: Es ist wichtig, die Interaktionen und Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Akteuren zu analysieren, um die Hebel für Maßnahmen zu identifizieren.
- Eine schönere Zukunft vorstellen : Anstatt sich Zwängen zu unterwerfen, geht es darum, durch die Integration eines ganzheitlichen und weniger anthropozentrischen Denkens nachhaltige Lösungen zu antizipieren und zu entwerfen.
Werkzeuge für alle zugänglich machen
Eine weitere Stärke dieses Ansatzes besteht darin, dass er nicht auf Ökodesign-Experten oder Designer beschränkt ist. Jeder im Unternehmen trägt zum Produktdenken bei, einschließlich technischer Teams. Jede Entscheidung – sei es hinsichtlich der Architektur einer Website, des Datenmanagements oder der Gestaltung eines Features – erzeugt Auswirkungen, die mit vorhandenen Werkzeugen antizipiert und optimiert werden können.
Online-Ressourcen ermöglichen es digitalen Fachkräften bereits, sich diese Ansätze anzueignen und sie auf ihren alltäglichen Kontext anzuwenden. In diesem Sinne ist die Arbeit von Die Vereinigung ethischer Designer, dessen Ziel es ist, einen praktischen Leitfaden für Digitalexperten zu erstellen.
Auf dem Weg zu einer neuen Designvision
Das ultimative Ziel ist nicht nur, innovative oder einprägsame Produkte zu entwerfen, sondern ihre Auswirkungen verringern. Die Frage ist nicht mehr nur „Wie machen wir dieses Produkt großartig?“Aber „Wie können wir den Schaden minimieren, den es verursachen könnte?“
Über Clémence Piteau:
Clémence arbeitet beim Start-up Auxo Dynamics, dessen Ziel es ist, Unternehmen bei der Verwaltung ihrer nichtfinanziellen Daten zu unterstützen, um die Einhaltung von Vorschriften zu gewährleisten, vor allem aber eine nachhaltige Umstellung ihres Geschäftsmodells zu planen.
Sie ist außerdem Mitbegründerin der Lyoner Community of Ethical Designers.
Um noch weiter zu gehen: die Folien seiner Konferenz, alle seine Referenzen und seine Toolbox!! Danke, Clémence 🙏: Link zu seinem Begriff
Christel Agier, Senior UX Designer bei UX-Republic